Wusstest du, dass Depressionen zu den häufigsten Krankheiten überhaupt zählen?

Jeder Zehnte ist mindestens einmal im Leben von einer Depression betroffen, jeder Fünfte leidet an wiederkehrenden Depressionen. Frauen erkranken ungefähr doppelt so häufig wie Männer.

Depressionen werden oft verharmlost – aber es handelt sich dabei um einer ernst zu nehmende Krankheit: mindestens 15% der Betroffnen sterben durch Suizid, wenn keine entsprechende Therapie erfolgt. Der folgende Text wurde weitgehend den Informationen des Kompetenznetzes Depression (www.kompetenznetz-depression.de) entnommen.

Depressive Störungen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen.

Die Depression ist eine der größten Volkskrankheiten. Dies wurde sehr eindrücklich durch eine neuere, weltweit durchgeführte Studie der WHO („Global burden of disease“, Lopez und Murray, 1996) bestätigt.

Die Bedeutung der verschiedenen Volkskrankheiten wurde mit einem Indikator ermittelt, der die Erkrankungsjahre pro Bevölkerung berücksichtigt, gewichtet mit der Schwere der Beeinträchtigung durch die jeweilige Erkrankung. In den entwickelten Ländern steht hier die unipolare Depression an erster Stelle (Abbildung 1), mit weitem Abstand vor allen anderen körperlichen und psychiatrischen Volkskrankheiten. Hochrechnungen haben zudem eine in den nächsten Jahren weiter zunehmende Bedeutung der Depression ergeben.

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Abbildung 1

Wie entsteht eine Depression?

Eine Depression hat selten eine einzige Ursache. Meist führt ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren zur Erkrankung. Die Depression können wir sowohl von der körperlichen, biologischen Seite her als auch von der psychischen und psychosozialen Seite her erklären und behandeln. Wie bei den zwei Seiten einer Medaille ergänzen sich auch hier die beiden Betrachtungsweisen. Dies gilt im übrigen nicht nur für die Depression, sondern auch für andere Erkrankungen.

Die früher verbreitete Ansicht, dass Depressionen sowohl körperlich bedingt seien (endogene Depressionen) als auch psychogen bzw. psychoreaktiv (neurotische Depression), hat die Wissenschaft inzwischen revidiert.

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Zwei Seiten einer Medaille

Folgende Faktoren spielen für die Entstehung einer Depression eine Rolle:

Veranlagung:
Die Veranlagung zur Depression kann erworben sein, ist jedoch oft auch genetisch bedingt. Menschen mit genetischer Veranlagung neigen vermehrt dazu, bei belastenden Situationen oder auch ohne erkennbare Belastungen eine Depression zu entwickeln. Wie diese genetischen Faktoren genau aussehen, ist bislang ungeklärt. Die Hoffnung, dass ein einzelnes Gen für Depressionen zu finden ist, hat sich nicht erfüllt.

Persönlichkeitsfaktoren:
Bestimmte Persönlichkeitsfaktoren können die Depressionsanfälligkeit erhöhen. So sind viele Menschen mit depressiven Erkrankungen im gesunden Zustand eher leistungsorientiert, bereit, Verantwortung für andere zu übernehmen und eher streng mit sich selber.

Psychosoziale Belastungsfaktoren:
Akute psychosoziale Belastungen wie der Verlust oder Tod einer wichtigen Bezugsperson oder chronische Überlastungssituationen können als Auslöser einer depressiven Erkrankung fungieren und in diese einmünden. Auch soziale Faktoren, die eine Anpassung an neue Umstände erfordern (zum Beispiel Heirat, Arbeitslosigkeit, Berentung), treten vermehrt vor dem Beginn einer Depression auf. Jedoch sind nicht bei allen Menschen derartige Auslösefaktoren im Spiel. Viele Depressionen treffen den Erkrankten wie aus heiterem Himmel, so als ob jemand „den Lichtschalter ausgeschaltet“ hätte.

Körperliche Erkrankungen:
Auch körperliche Erkrankungen, z.B. Schilddrüsenfunktionsstörungen, können eine Depression mit verursachen.

Hirnfunktionsstörung:
Ist die Depression einmal ausgebrochen, zieht sie den ganzen Körper des Erkrankten in Mitleidenschaft. Es kommt zu hormonellen Veränderungen, so werden z.B. vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, der Muskeltonus erhöht sich, der Schlaf-Wach-Rhythmus ist gestört, ebenso der Appetit und die Sexualität.
Als biologische Ursache für diese Veränderungen sowie für die gedrückte Stimmung, die Kraftlosigkeit, die Schuldgefühle und die anderen psychischen Symptome werden veränderte Funktionsabläufe im Gehirn, z.B. bedingt durch veränderte Funktion der Botenstoffe zwischen den Nervenzellen, diskutiert. Serotonin ist z.B. einer dieser Botenstoffe. Bisher ist es allerdings nicht gelungen, eine genau definierte Funktionsstörung im Gehirn zu lokalisieren, die unmittelbar für das Auftreten der depressiven Symptome verantwortlich ist.

Cave:
Man sollte sehr vorsichtig damit sein, Depressionen nur als nachvollziehbare, verständliche Reaktion auf schwierige Lebensumstände aufzufassen. Schwere Schicksalsschläge verursachen zwar Trauer, gedrückte Stimmung und Befindlichkeitsstörungen, jedoch nicht zwangsläufig eine Depression. Tritt allerdings eine depressive Erkrankung auf, so muss sie konsequent behandelt werden.

Einschneidende Ereignisse
Zwei Drittel der von Depression betroffenen Menschen hatten vor ihrer Erkrankung ein belastendes oder zumindest einschneidendes Lebensereignis. Nach einem solchen Ereignis ist das Depressionsrisiko etwa ein halbes Jahr lang erhöht.
Ein belastendes Ereignis muss aber nicht zwangsweise zum Ausbruch einer Depression führen. Denn alle Menschen müssen in ihrem Leben Verluste und Trennungen erleiden, aber nicht jeder erkrankt. Insofern haben Ereignisse dieser Art in erster Linie eine auslösende Bedeutung. Einschneidende Lebensereignisse können zum Beispiel der Tod eines nahen Angehörigen, Partnerkonflikte, die Veränderung der Lebensverhältnisse und der sozialen Rolle (wie z.B. in der Pubertät) oder chronische Überlastungssituationen sein.

Krankheitsbild und Formen der Depression

Depressive Erkrankungen verlaufen meist in Phasen, die über mehrere Monate, bei einigen Patienten auch über Jahre anhalten können.

Unipolare Depression:
Die meisten Menschen, die an einer Depression erkranken, erleiden in ihrem Leben mehr als eine depressive Episode. Derartige Episoden dauern unter Umständen Wochen, manchmal auch Monate, insbesondere dann, wenn die Erkrankten nicht konsequent behandelt werden. Treten nur depressive Episoden auf, so spricht man von einer unipolaren Depression.

Bipolare affektive Störung:
Manche Patienten erleiden nicht nur depressive, sondern auch manische Episoden. Manische Episoden sind gekennzeichnet durch einen unbändigen Tatendrang, meist gehobene Stimmung, fehlendes Schlafbedürfnis, Größenideen, häufig auch durch Kaufrausch. In diesen Fällen spricht man von einer bipolaren affektiven Störung.

Dysthymie:
Manche Menschen leiden an einer meist leichter ausgeprägten, aber dafür chronisch verlaufenden Form der Depression, genannt Dysthymie. Diese beginnt meist im frühen Erwachsenenalter.
Depressive Episoden im Rahmen unipolarer und bipolarer affektiver Störungen sowie Dysthymie gehören zu den wichtigsten Depressions-Diagnosen. Depressive Erkrankungen können jedoch auch im Rahmen körperlicher Erkrankungen, z. B. von Schilddrüsenfunktionsstörungen, oder in Verbindung mit bestimmten Medikamenten, z.B. hochdosierter Cortisonbehandlung, auftreten.

Symptome der Depression

Bei depressiven Menschen können wir sowohl körperliche Veränderungen als auch Veränderungen des Verhaltens und Erlebens beobachten. Die Depression erfasst alle drei Bereiche.

Verändertes Erleben:
Die Erkrankten berichten über verändertes Erleben. Gefühle der Hoffnungslosigkeit dominieren: Hilflosigkeit, innere Leere, Schuld und Angst, Verzweiflung und Trauer, aber auch die Unfähigkeit, überhaupt noch Gefühle empfinden zu können („Ich bin wie versteinert“). Negative Denkmuster herrschen vor.
Depressiv Erkrankte entwickeln in vielen Fällen eine pessimistische Einstellung gegenüber sich selbst, den eigenen Fähigkeiten, dem eigenen Aussehen und der Zukunft, verbunden mit starker Grübelneigung. Permanente Selbstkritik, Konzentrationsprobleme und Suizidgedanken sind häufig. Manche Patienten entwickeln auch Wahnvorstellungen, z.B. die Überzeugung unheilbar erkrankt zu sein, oder sich und die Familie finanziell ruiniert zu haben. Die Betroffenen sind nur schwer davon zu überzeugen, dass sie eine Krankheitsepisode durchleben, die in den meisten Fällen gut zu behandeln ist.

Verändertes Verhalten:
Die Patienten vermeiden soziale Kontakte, stellen Hobbys ein, können ihre Arbeit nicht mehr bewältigen und ziehen sich ins Bett zurück. Die Mimik und Gestik ist bei vielen Patienten wie erstarrt, die Stimme leise und monoton. Einige Patienten laufen rastlos, verzweifelt und wie getrieben hin und her (agitierte Depression).

Körperliche Beschwerden:
Schlaflosigkeit mit Früherwachen, Appetitstörung mit Gewichtsverlust, Libidoverlust, schnelle Ermüdung und multiple körperliche Beschwerden gehören zu den vielfältigen somatischen Begleiterscheinungen einer depressiven Störung.

Versorgungsdefizite bei depressiven Patienten

Eine pharmakotherapeutische Behandlung mit Antidepressiva und Psychotherapie (z.B. kognitive Verhaltenstherapie) kann der Mehrheit der depressiven Patienten helfen. Wirksame Behandlungen werden jedoch sehr häufig nicht eingesetzt, da Depressionen übersehen und in ihrer Schwere unterschätzt werden.

Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • Die depressiv Erkrankten erleben ihre Erkrankung fälschlicherweise als persönliches Versagen und schämen sich, zum Arzt zu gehen. Viele Erkrankte sind auch zu hoffnungslos und kraftlos, um sich Hilfe zu holen.
  • Die meisten depressiven Patienten befinden sich beim Hausarzt in Behandlung. Für diesen ist es oft schwierig, eine Depression zu diagnostizieren, da die Patienten körperliche Beschwerden in den Vordergrund stellen und so die zugrunde liegende Depression bei mehr als der Hälfte der Patienten nicht erkannt wird.
  • Die Schwere depressiver Erkrankungen wird oft von den Nichtbetroffenen unterschätzt, leider nicht selten auch von Ärzten.
  • Selbst wenn die Depression erkannt wird, erhält nur weniger als die Hälfte dieser Menschen eine konsequente antidepressive Behandlung – sei es, weil ärztlicherseits keine wirksame Behandlung verordnet wurde, sei es weil die Patienten die Behandlung, z.B. die Einnahme von antidepressiven Medikamenten (Antidepressiva), nicht einhalten bzw. vorzeitig wieder abbrechen oder das Angebot einer Psychotherapie ablehnen.

Regeln im Umgang mit depressiv Erkrankten

  • Akzeptiere die Depression als Erkrankung!
  • Ziehe den Arzt zu Rate!
  • Überfordere dich nicht! (Psychohygiene)
  • Versuche geduldig zu bleiben!